Die Idee eine längere Wanderung zu machen, ist im Lauftreff Harsefeld 05 ja absolut nicht neu. Spätestens seit sich Jörg Reitmann sowie Peter Meyer auf den Jakobsweg nach Santiago de Compostela in Galicien gemacht haben, ist absolut nicht nur mehr „Laufen“ eine Thematik in den Reihen des Treffs. Zu dem Veranstalter „Mammutmarsch“ bin ich selbst bereits Anfang 2016 gekommen. Und dies auch nur, weil der liebe Jörg König im Terminkalender als Teilnehmer des Berliner Mammutmarsches vermerkt war. Klappte es im vergangenen Jahr wegen einer terminlichen Überschneidung mit einem Marathon nicht für mich, bot sich in diesem Jahr eine neue Chance.
100 Km in 24 Stunden zu wandern, hört sich zuerst ja gar nicht so schwer an. Zumindest dann nicht, wann man den Marsch in Relation zu einem gelaufenen Marathon betrachtet. Natürlich ist die Streckenlänge eine andere, dafür steht aber auch eine ganze Menge Zeit zur Verfügung. Eine Teilnahme bei dem Mammutmarsch musste einfach sein. Allein schon, weil ich das schwarze T-Shirt mit Mammutkopf unbedingt haben wollte. So sah es vorab bei mir im Kopf aus.
Mit dem Berliner Mammutmarsch (27.05.) klappte es aus terminlichen Gründen auch dieses Jahr nicht bei mir. Ein Glück, dass der Veranstalter jedoch expandiert hat. Auch in München (05.08.) und in Nordrheinwestfalen sollte es nun einen Marsch mit Mammut geben. Meine Entscheidung fiel auf NRW. Zum einen ist die Entfernung im Vergleich zu München nicht ganz so arg weit, zum anderen bewarb der Veranstalter die NRW-Veranstaltung mit: „Wir kehren nach zehn Jahren an den Ort zurück, an dem 2007 der Ur-Mammutmarsch stattgefunden hat.“ Ich stehe ja auf Jubiläen.
Bis es jedoch zum Start gekommen ist, musste der Kopf erst einmal in die richtige Bahn gebracht werden. Zu aller erst waren die Eindrücke vom Megamarsch in Hamburg im Kopf (der Lauftreff war mit 8 Teilnehmern Anfang April dabei). Dann las ich von der Finisherquote in Berlin und München. Nur rund 20 Prozent der Teilnehmer schafft überhaupt die 100 Kilometer komplett. Scheint also doch nicht nur eine Kopfsache zu sein. Oder???
Start/Ziel war in der Schwebebahnstadt Wuppertal. An dieser Stelle sei erwähnt: Eine schöne Geschichte gibt es im Zusammenhang mit der Bahn und einem Elefanten namens „Tuffi“. Ansonsten ist die Stadt im Vergleich zu anderen Metropolen ja nicht ganz so interessant.
Die erste Planung ging von Freitag bis Sonntag, mit Übernachtung in der Jugendherberge. Nachdem ich jedoch im Sommer so ein kleines sportliches Motivationstief hatte, wurde die Unterkunft und auch das Vorhaben irgendwann wieder storniert. Man sollte ja auch trainieren dafür. Aber allein??? Stundenlang irgendwo wandern gehen??? Das ist dann auch mir zu langweilig. Der letztliche Kick kam tatsächlich erst am 18.08. im Österreich-Urlaub. Nach tollen Wanderungen mit ordentlich Höhenmetern. Dem Highlight der Woche, die Wanderung zum goldenen Gipfelkreuz der Zugspitze und der damit verbundenen Erkenntnis, dass die Fitness sehr gut ist, ließ mich in der Gruppe kund geben: „Irgendwie könnte ich mir jetzt doch wieder vorstellen, den Mammutmarsch im September zu machen – 100km in 24 Stunden.“ Keiner hat da gesagt, dass das zu bekloppt ist. Es gab kein Feedback, was meinen Gedanken wieder abwenden ließ.
Die Anmeldung und Buchung der Bahnreise erfolgte am 20.08. – Noch 3 Wochen bis zum Event. Es war schon eine gewisse Anspannung gegeben, aber so richtig nervös war ich jetzt auch nicht. Über Facebook gab es eine Eventgruppe. Eine sehr aktive Gruppe. Rund 650 Mitglieder für den NRW-Mammutmarsch. Ein Veranstalter-Team, dass ebenfalls aktiv und auf Zack war. Fragen wurden fachlich und zeitnah beantwortet. Es war schon sehr intensiv, die Zeit. Dieser Marsch war einfach die ganze Zeit Thema irgendwie. Allein durch das Social Network. Es wurde zeitweise schon fast etwas nervig, wenn zum Beispiel zum 100. Mal die Frage kam, ob und warum alle Starter eine Stunde vor dem ersten Startschuss sein sollen (1. Startgruppe 15 Uhr – letzte Startgruppe 17.15 Uhr). Weil es jedoch mein erster Start bei einem 100 Kilometer Marsch war, war ich insgesamt dennoch äußerst froh über alle Informationen vorab.
Vom Veranstalter wurde als Voraussetzung ein mindestens 35 Kilometer Trainingsmarsch festgelegt. Mit der Anmeldung musste man die Absolvierung bestätigen. Auf diese Strecke am Stück war ich jetzt nicht gekommen, aber über die Woche in Österreich sah ich schon, mich ordentlich getestet zu haben. Letztlich hatte ich aus Reihen der Veranstalter gehört, dass es bei dem Trainingsmarsch nicht wirklich um den Körper ging, sondern eher um die Erprobung von der Ausrüstung. Also genau dies hatte ich auf jeden Fall in Österreich gemacht. Alles richtig gelaufen bis hier hin. Auch aus der Pflicht an Mindestausrüstung wurde spätestens am Veranstaltungstag nur noch eine Empfehlung. Kontrollen gab es nicht. Einzig die personalisierte Teilnehmer-Card war Pflicht.
Die Reise begann dann am Samstag, den 09.09. bereits um 5.55 Uhr. Nachdem der Wecker geklingelt hatte und um 6.35 Uhr die Autofahrt zum Horneburger S-Bahnhof begonnen hatte, war die Freude auf das Event voll da. Um 7.13 Uhr ging es mit dem Metronom nach Harburg. Dort angekommen, fuhr gerade eine Dampflok los. Einige alte grüne Waggons, die Fahrgäste filmten, die schwarze Lok dampfte den halben Bahnhof ein. Was für ein Start in den Tag. Zudem gab es in der Durchsage eine Ansage nach Berchtesgaden. Oh wie witzig, hatte wir im Österreich noch über den Watzmann gesprochen. Auf dem Bahnsteig Nr. 2 traf ich dann noch auf drei andere Wandersleute aus Hamburg. Sie gehörten zusammen und sollten später in der dritten Startgruppe los wandern. Man unterhielt sich köstlich und saß auch in der Bahn nach Wuppertal fast beisammen. Was mir da bereits auffiel, ich hatte wohl viel zu viel Gepäck dabei. Aber OK!!!
Der befürchtete Regen setzte in Bremen erstmalig ein. Später hinter Münster durfte man sogar die Sonne spüren. In Wuppertal angekommen, es war 11.20 Uhr, war es zumindest trocken. Es bot sich zuerst kein so tolles Bild. Der Wuppertaler Bahnhof ist alt, alles andere als modern und zum Teil eine Baustelle. Die erhofften Schließfächer für meine Duschsachen und Alltagskleidung waren komplett gesperrt. Laut Info-Container der Bahn waren diese vor kurzem aufgebrochen worden und werden erst nach der Modernisierung wieder in Betrieb genommen. Na ganz toll. Aber es gab ja die Facebook-Gruppe. Mit zwei Rücksäcken auf dem Rücken ging es die Schwebebahn betrachten und etwas nettes zu Mittag zu finden. In der Innenstadt traf ich auf den „Zuckerfritz“ und „Mina Knallenfalls“ sowie auf diverse Parteien, die Wahlkampf für die bevorstehende Wahl betrieben. Auf dem Platz des Jubiläumsbrunnens fand ich dann auf einem Wochenmarkt lecker Chinanudeln. Es lief und nur noch ca. 2 Stunden bis zum Start. Über die MM-Gruppe erhielt ich den Tipp und die Rufnummer vom Skaterpark „Wicked Woods“. Sollte ich da etwa meinen Zweitrucksack deponieren können??? Der Skaterpark war genau nebenan bei Start/Ziel, welcher sich übrigens in Oberbarmen am alten Wichlinghauser Bahnhof befand. Es klappte. In einem äußerst netten Telefonat mit einem Mädel erklärte ich mein Problem und fand Zustimmung. Ich war äußerst erleichtert und konnte so gelassen den Weg zum Start antreten.
Das absolute Muss in Wuppertal stand so als nächstes auf dem Programm. Eine Fahrt mit der Schwebebahn. Am Hauptbahnhof schnell ein Ticket gekauft, ging es auch schon los. Es war echt urig. Zumal an den Haltestellen Hinweisschilder sind, dass man auf das pendeln der Bahnen achten soll. Die Bahnen sind einfach ein Highlight. Neun Haltestellen, immer der Wupper folgend.
Schön grün und ab und zu kam eine Bahn entgegen. Die Schaffner grüßten sich. An der Endstation „Oberbarmen“ ging es raus. Nur noch rund 600 Meter zu Fuß. An dem Skaterpark angekommen, hatte ich schon die ersten rund 8 Tageskilometer erlaufen laut Smartphone. Draußen, unter einer Feuerleiter zog ich mich um. Einmal komplett das Outfit wechseln. Rucksack abgeben und ab ins Getümmel. 803 Sportler (rund 950 hatten sich wohl angemeldet) tummelten sich nun auf dem offenen Gelände. Wir waren auf der Nordbahntrasse – Einer stillgelegten Bahntrasse, welche 2006 zu einem grünen Freizeitareal umfunktioniert wurde und nun als 22 km langer Fuß-, Rad- und Skaterweg quer durch Wuppertal gilt. Kontrollen gab es wirklich nicht. Ich hatte das Gefühl, als wenn meine Teilnehmer-Card nicht mal zur Abholung des gelben Teilnehmerbändchens kontrolliert wurde. Nur zur Abholung meines bestellten MM-Shirts und zur Urkundenabholung wurde die Card über den Scanner gezogen. Um 14.15 Uhr war alles erledigt. Das Shirt war im Wanderrucksack verstaut, das gelbe Bändchen um dem Handgelenk und das Programmheft bzw. Routenheft studiert. Hier machten sich bereits viele Gedanken, was denn jemand macht, der erst um 17 Uhr oder so starten darf. Puhhhh… Wie gut, dass ich mich erfolgreich für die erste Startgruppe um 15 Uhr registriert hatte. Um 14.45 Uhr wurde es dann etwas hektisch.

Der Countdown lief. Pünktlich zum Start war die Sonne mal gerade wieder von dunklen Wolken verdeckt.
Die vier Veranstalter (Bastian, Jannis, Chris, und Kalle) – immer irgendwie präsent und super nah am Geschehen dabei – riefen zum letzten Briefing. Über die Begrüßung, letzte Anmerkungen zur Strecke und anschließenden Worten von der stellvertretenden Ortsbürgermeisterin (der Oberbürgermeister war kurzfristig verhindert) sowie einem Herren der Wuppertaler Bewegungs e.V. ging es quasi nahtlos zum ersten, meinem Startschuss, zu meinem ersten 100km in 24 Stunden Marsch und zum 1. Mammutmarsch in NRW in Wuppertal über. Die letzten 10 Sekunden wurden runtergezählt und der erste Tross zog los. Es war toll, zumal auch die Presse inkl. WDR Lokalzeit da noch anwesend war (Hinweis: Der Online-Beitrag des Senders ist leider mittlerweile nicht mehr online zu finden).
Mit meiner GPS-Uhr vollgeladen gestartet, ging es also los. Mal abwarten, wie lange der Akku so hält. Aber jetzt galt erst einmal: Die 24 Stunden haben begonnen und dass bei leichtem Regen.
Der Start fühlte sich wie eines Marathons an. Während ich mit eigentlich maximal 99 anderen Teilnehmern in Startgruppe 1 auf die Strecke ging (einige Stimmen wurden später laut, dass es gefühlt weit mehr als 100 Starter in Gruppe 1 gewesen sein müssen), standen neben der Presse natürlich die anderen 703 Teilnehmer an der Strecke und bejubelten gemeinsam mit uns den Beginn der Mammutaufgabe.
Laut Ausschreibung gab es vom Veranstalter die Bitte, dass man aus Sicherheitsgründen möglichst nie alleine gehen sollte. Dieser Bitte bin ich wohlwollend von Beginn an nachgekommen. Zu Anfang war die Gemeinschaft sogar so verbunden, dass sich die Sportler erst einmal, wie bei einem großen Marathon nach Tempo sortieren mussten. Der Regen hörte schnell auf, kam in Form von Schauern bis kurz nach 20 Uhr immer mal wieder. Wie gut, dass ich für die Schnelle einen kleinen Regenschirm dabei hatte. Für die ersten Kilometer galt es der Nordbahntrasse zu folgen. Asphalt war angesagt. Den Stadtbereich verließen wir dabei bereits nach gut 2 Kilometern. Wir waren förmlich im Grünen. Bereits jetzt hat sich das Feld ordentlich auseinander gezogen. Die ersten waren kaum noch zu sehen. Und auch hinter mir waren schon viele abgefallen. Ich selbst hatte nach rund 4 Kilometern meine erste Gruppe gefunden. Es waren zwei Mädels. Die eine war erfahrene Marathonläuferin, die andere eine motivierte Freundin, die sich diesen Marsch als Ziel einer Abnehmaktion vorgenommen hatte (über 20 Kilo hatte sie abgenommen, Topp). Das erste Highlight folgte knapp nach Km 6. Der Scheetunnel, 722m lang und romantisch geleuchtet. Bei Km 7,5 gab es dann die erste Steigung. Rund 25 Stufen ging es eine Ebene nach oben. Bis kurz nach Kilometer 12 war der Untergrund 1A asphaltiert, dann jedoch eröffnete ein Veranstalterplakat „AUF GEHTS IHR MAMMUTS“ den Marsch erst so richtig.
Es ging links eine Böschung hoch, über eine Brücke ab auf Feldwege. Durch den enormen Regen am Vortag waren die Naturwege bereits bei Startgruppe 1 ziemlich angegriffen. Wie gut, dass ich mich am Vortag letztlich für die GoreTex-Schuhe entschieden hatte, statt wie viele andere Sportler Laufschuhe zu nehmen.
Die erste von vier Verpflegungsstationen war bei Km 18, auf einem Sportplatz in Gevelsberg. Der Weg dort hin bestand aus Feldern, Wiesen, Waldabschnitten, einer Autobahnüberquerung (A1) inkl. ordentlichem Regenschauer und auch Regenbogen.
Alles war Ok bei Km 18 und ich vor allem froh, dass die Schuhe wasserdicht waren. Die paar Sportler, die bereits da waren oder ankamen, verpflegten zum Teil schon ihre Füße. Ich suchte nur kurz das WC auf, füllte das Wasser auf (ich hatte eine 1,5L Flasche mit) und bediente mich bei den Salzstangen, nahm mir ein Milchbrötchen, einen Mülsiriegel und eine Banane mit und nach maximal 10 Minuten ging es auch schon weiter.

Der Harkortturm – Der im Burgenstil entworfene Turm wurde zum Gedenken an Friedrich Harkort kurze Zeit nach dessen Tode auf dem Harkortberg errichtet.
Meine Begleitung hatte ich zu diesem Zeitpunkt bereits gewechselt. Ein Pärchen aus Bottrop war nun an meiner Seite. Man unterhielt sich nett und hatte Spaß auf dem Weg zum VP 2. Nach 20.30 Uhr war Regen kein Thema mehr und auch sonst wurde es richtig schön. Absolut kein Wind sollte uns bis in den Morgen begegnen. Der Weg führte jetzt wieder sehr viel über Asphalt, durch das Dorf Volmarstein, ordentlich bergab und bei Km 30 wieder in die Wildnis. Wie passend das Schild „DIE GRENZE IST NUR IN DEINEM KOPF“. Beleuchtung war jetzt gefragt und das Pärchen hatte ausreichend Licht dabei. Die Aussicht im Tal war wunderschön. Natur pur. Man konnte schon nach Wetter rüber schauen, eine Bahn fuhr durch die Dunkelheit und auf dem Berg thronte der Harkortturm über der Ruhr und sah dabei für uns aus, wie ein Bierflaschenhals. Das verstärkte noch die Freude auf den zweiten Verpflegungspunkt.
Nach Kilometer 36 ging es auf die andere Seite der Ruhr nach Herdecke und am Ufer, quasi unter dem Ruhrviadukt Herdecke gab es beim Segelverein was warmes zu Essen. Bratwurst oder Kartoffelsuppe. Ich entschied mich für letzteres und stillte meinen Appetit nach alkoholfreiem Weizenbier. Es war bei nicht ganz Km 38 eine Wohltat, mal den schweren Rucksack abnehmen zu können und sich hinzusetzen. Und eine Creme gegen Reibung zwischen den Beinen durfte auch zum Einsatz kommen. Hier traf ich beim Aufbruch auch die Mädels von Beginn wieder. Die Marathonläuferin strahlte noch, die Freundin stieg hier aus. Nach rund 30 Minuten Abendesspause ging es für mich und das Pärchen auf zur Halbzeit und VP 3 bei Kilometer 62. Was wir noch nicht wussten, aber wohl denken konnten, es sollte der härteste und anstrengendste Abschnitt werden.
Bis Km 40,5 ging es flach an der Ruhr lang. Wir haben nicht viel von der Ruhr gesehen, aber wenn, dann bot sich ein Wasser, so still wie ein Spiegel. Wir waren nun in Wetter angekommen, durchquerten ein paar Straßen am Rande der Stadt und durften die ersten mal so richtigen Höhenmeter in Angriff nehmen. Den Sunderweg hoch war ordentlich Puste holen angesagt. Bei Km 42 war der Hartkortturm erreicht. Die Beleuchtung des Turmes war längst aus. Es folgte eine nächtliche Wanderung durch viel Wald. Bei Km 50 war die Häfte geschafft, wir mitten im Wald irgendwo und der weibliche Part des Pärchens zeigte erste starke Erschöpfungsanzeichen. Wir sahen Feuersalamder auf den Wegen.
Zuerst noch: „Oh ein Feuersalamander, wie ewig lang keinen mehr gesehen“. Beim Sechsten: „Och ja, Mensch, schon wieder einer“ (grins). Es ging steil berg auf und auch wieder herunter. Teilweise waren Wege schwer zu finden. Meine Powerbank lud jetzt schon zum dritten Mal mein Phone auf. Ich entschied mich, Akku zu sparen und in Sachen Navigation auf meine Mitmenschen zu setzen. An einer steilen Stelle im Wald nach Mitternacht packte ich dann auch mal meine Wanderstöße aus und schaltete meine eigene Beleuchtung an. Schließlich galt es ja sicher ins Ziel zu kommen. Es bildeten sich im Wald größere Gruppen. Die Navigation war nicht so ganz einfach und als es nach 54 Kilometer wieder langsam in ein Stadtgebiet ging, war das Pärchen irgendwo zurückgeblieben. Nun ging es mit einem älteren Paar und zwei jüngeren Teilnehmern weiter durch Witten. Wie schön, dass das jüngere Mädel ortskundig war. Nichts mehr los auf den Straßen und im Licht der rötlichen Straßenbeleuchtung erstrahlte hier eine wirklich schöne Eisenbahnbrücke am Mühlengraben aus Stahl in Viaduktform. Über die B226, wieder auf die andere Seite der Ruhr, gefühlt lange gerade aus. Fast 3 Kilometer bis Km 58,5. Ein kurzer Naturabschnitt, mal wieder eine ordentliche Steigerung, einen Feldweg entlang. Herbede war erreicht. Bereits am Eingang des Ortes bekundeten meine anderen vier Gruppenmitglieder, bei VP 3 nicht weiter machen zu wollen. Mmmmmh… Musste ich jetzt etwa alleine weiter???
Es zog sich, bis kurz vor Km 63 endlich der dritte Verpflegungspunkt erreicht war. Fast etwas unscheinbar, in der Dunkelheit, am Ufer des Kemnader Sees durfte sich zum vorletzten Mal ausgeruht werden. Hier kam auch bei mir tatsächlich kurz der Gedanke, wie es wäre nicht weiter zu machen. Aber irgendwie war die Luft noch nicht ganz raus. Zudem war mir persönlich das Rücktransportsystem nicht einfach genug – zu aufwändig. Ich hätte mich aktiv kümmern müssen. Da wandere ich doch lieber noch etwas, dachte ich mir. Die Pause ging über das Dixi, Rucksack runter, hinsetzen, Milchbrötchen, Banane, Müsliriegel und nochmal Wasser auffüllen und wieder hoch. Ich erkundigte mich in der Runde, wer weiter macht. Aktuell keiner so richtig. Ich erkundige mich nach dem Weg, zücke den Wegplan raus und mache mich wieder auf den Weg. Die Füße waren hier schon ziemlich angriffen. Vor allem die Fußballen schmerzten schon sehr. Zudem die rechte Hüfte. Auch die Schienbeine zeigten erste Signale. Aber es ging noch.
Auf zum letzten Verpflegungspunkt. Die Orientierung war jetzt nicht mehr so kompliziert. Ich hatte zudem richtig Glück. Nur rund 200 Meter nach meinem Alleingang traf ich am Wegesrand einen etwas jüngeren Sportler aus Braunschweig. Er kam aus Startgruppe 3 und schloss sich mir an. Wir hatten das gleiche Tempo und harmonierten perfekt. Er sollte bis ins Ziel an meiner Seite bleiben. Bei Km 65 gab dann leider meine GPS-Uhr auf. Also ab jetzt kein Durchschnittstempo mehr. Über Hammertal, dem Katzensteinweg ging es durch die Dunkelheit über Feld- und Fußwege nach Hattingen. Bei Km 70 waren wir mitten in einem Gewerbegebiet. Eine alte breite Straße stand auf dem Plan. Am Rande ein Tennisclub, ein Kartcenter, Autohändler und als Highlight das schön bunt beleuchtete Industriemuseum „Henrichshütte“.
Schon bei Km 72 ging es wieder in die Natur. An einem Minigolf- und Skaterpark waren wir plötzlich wieder an der Ruhr. Hier begegneten wir einem Wuppertaler Wanderer. Er ging schon länger in fast dem gleichen Tempo wenige Meter hinter uns, und als wir mal kurz anhielten, schlossen wir uns einfach zusammen. Gemeinsam waren wir uns einig. Beim letzten Verpflegungspunkt aufzuhören, gehört sich nicht. Es wurde wieder hell und man traf auf erste Hundebesitzer. Es war richtig befreiend und motivierend wieder Weitblick zu haben. Immer der Ruhr lang.
Das Wehr bei Hattingen war im Morgendunst richtig schön anzusehen. In einem Bogen ging es bis Km 77 flach dem Fluss entlang und wir erfreuten uns, als wir Applaus von einer Passantin erhielten, welche schon zuvor auf Mammutanwärter getroffen war.
Wir verließen nun endgültig die Ruhr und kletterten am Fuße der Burg Isenberg den nächsten Berg hoch. Wenig später wieder runter und erneut steil bergauf. Hoch war ja kein Problem, aber runter für die Füße absolut böse. Vor allem runter musste ich jetzt immer etwas abreißen lassen. Wir warteten jedoch aufeinander. Als wir erneut auf Wohnhäuser trafen, waren wir am Rande von Langenberg. Da sollte doch VP4 sein. Nur am anderen Ende der Stadt. Also quer durch die City. Fast 2 Kilometer der Hauptstraße entlang und rechts runter. Km 81,5 in einem Hinterhof wurde zum letzten Mal alles sortiert, in der Sonne die Jacke wieder abgelegt, Cap auf, Stirnlampe wieder verstaut, Traubenzucker, Milchbrötchen etc. verspeist. Nur noch etwas mehr als 18 Kilometer. Das schaffen wir jetzt auch noch. Wirklich nur so lange rasten, wie es erforderlich war. Andere legten sich sogar hin. Ich schaute mir meine Füße lieber erst im Ziel an. Wir motivierten uns gegenseitig und machten uns auf den letzten Abschnitt. Sehr schön vom Veranstalter Bastian Kröhnert zu hören, dass er die letzte Steigung zur Burg Isenberg anspruchsvoller als das Restprogramm sah. „Wir werden es erleben“, so unsere Reaktion.
Wieder ein Stück Weg zurück und an der Hauptstraße einen Fußweg bergauf. Es ging wieder in die Natur. Die Steigung war recht gleichmäßig und im Vergleich zu allem zuvor erlebten, OK. Es ging durch Wälder, Feldwege, Straßen stetig bergauf. Der Höchste Punkt der Strecke fehlte noch. Da waren wir dann gedacht angelangt, hieß es wieder lange steil bergab zu wandern. Hölle. Absolut sch….e!!! Aber was einen nicht umbringt…! Ich ging jetzt fast durchweg immer rund 3, 4, 5 Meter hinter meinen beiden Mitstreitern.
Bei Km 90 hatten wir den vorletzten Berg bereits überwunden. Auf einer Lichtung fragte ich eine Gruppe älterer Herrschaften, ob es noch weit bis Wuppertal sei. Nein, sagte einer. Man könne ja schon den Wasserturm sehen. Der nächste Schub ging durch das Gemüt. Einen Schotterweg runter und einem landwirtschaftlichen Weg entlang. Der nächste Anstieg. Ein Läufer überholt uns. Na wenn der da hoch laufen kann, werden wir es doch wohl wandernd schaffen. Bei Km 92 waren wir am Anstieg zum höchsten Punkt angelangt. Asphalt und eine mächtige Steigung. Aber wir hatten ja noch massig Zeit. Zurück ist keine Option – Also hoch. Zusammen gestartet, zog der Braunschweiger weg. Wir anderen beiden waren zuerst zusammen. Ich hielt bei einem Pärchen in der Steigung an. Sie applaudierten uns und erzählten, dass sie schon beim Start zugeschaut hatten. Sie waren interessiert und ich erzählte von einer traumhaft schönen Nacht und von der Freude auf das Ziel. Es war toll und die Steigung nur noch halb so schlimm. Ich holte wieder auf zu den anderen beiden. Oben, wir waren nun in Horath, rasteten und tranken wir gemeinsam kurz etwas. Der Wasserturm war nun schon ziemlich nah. Nur noch 7 Kilometer laut der Navigation. In Horath ging es links ab, bis das Wuppertaler Ortsschild erreicht war. Wir sind wieder in der Stadt!!!
Es fühlte sich schon jetzt wie eine Zielgerade an. Es ging unzählige Treppen runter. Der letzte Abstieg der Runde. Noch einmal über eine Autobahn (A46). In einem Wohnviertel bot uns eine Anwohnerin sogar einen Rastplatz und eine Toilette an, sie war beeindruckt von der Leistung. Eine andere Anwohnerin begutachtete uns schnell und sagte fix, sieht fit auf, sieht auch noch super aus, du siehst schon etwas fertig aus. Letzterer war ich (grins). Egal, ich fühlte mich noch verhältnismäßig gut. Nach Km 96 war die Nordbahntrasse wieder in Sicht. Das Finale wurde eingeläutet. Auf den Steinweg, links eine Straße hoch und auf die Trasse. Jetzt waren es nur noch gut 3 Kilometer, immer gerade aus. Keine Höhe und auch kein Abstieg mehr. Nichts konnte jetzt mehr schief gehen. Dennoch. Es zog sich. Der Wuppertaler motivierte uns mit: Nur noch zwei Brücken, ein kleiner Tunnel und ein Kreisel bis zum Ziel. Es war eine Menge los auf der Trasse. Läufer, Radfahrer, Spaziergänger und wir Wanderer. Die letzten Kilometer fühlten sich lang an, aber da war er dann. Der angekündigte Kreisel und vor allem der alte Wichlinghauser Bahnhof. Das Ziel!!!
Eine super Zeit mit 21:22 Stunden. Total egal eigentlich, denn eigentlich hatte man ja noch eine Menge Zeit gehabt. Die Veranstalter und ein paar andere applaudierten. Geschafft!!! Ich bin ein Mammut mit einer dicken fetten 100!!! Unglaublich, was gerade so über Nacht passiert ist und wie schön so die Runde war. Es war ein tolles Naturerlebnis mit tollem Wetter. Die Strecke war, gerade auch im Bezug auf viele aufgeweichte Wege anspruchsvoll. Die Höhenmeter von rund 1.600 hoch und auch wieder runter, hauten ordentlich ins Kontor. Ich habe die Erkenntnis gewonnen, dass für mich 100Km wandern eine Frage von Kopf und gutem Schuhwerk bzw. Blasenschutz ist. Neben Willen ist zudem das Ausblenden oder Aushalten von Schmerzen gefragt. Ich meine natürlich keine ernsthaften Verletzungen, aber Scheuerwunden, Blasen und Lastschmerzen vom Rucksack beispielswiese.
Ich habe letztlich viel zu viel mitgenommen auf die Runde (u. a. dickere Jacke und Pullover), die Schuhe waren dagegen super gewählt. Auch Wanderstöcke waren im Bezug auf die nächtliche Waldwanderung und die vielen Auf- und Abstiege optimal. Im Ziel fehlte mir alkoholfreies Bier von Seiten des Veranstalters. Ich saß dennoch noch rund 2 Stunden im Ziel und durfte die Zieleinläufe von zwei meiner früheren Wanderabschnitte herzlich beglückwünschen. Ich genoss die Stimmung. Es war zum Teil höchst emotional. Toll!!!
Von Bergen habe ich jetzt erst einmal genug, aber 100Km wandern würde ich 2018 gerne erneut irgendwo. Nur Wuppertal muss kein zweites Mal sein. Ach ja, die Jungs aus Hamburg habe ich nach der Zugfahrt leider nicht wieder gesehen. Aber dennoch waren nette Gespräche und Kontakte auf der Runde. Und ganz ehrlich: In der Gemeinschaft ist wandern nur halb so anstrengend, als alleine!!!
Alle Auswertungen von Seiten des Veranstalters sind übrigens >>> HIER <<< zu finden.
Und wie habe ich so den Rest des Tages verbracht? Ich habe meinen zweiten Rucksack beim Skaterpark gegen ein paar Euro für die Kaffeekasse wieder ausgelöst. Bin nach einem Schuhwechsel mit der Schwebebahn zu Wuppertals Schwimmoper. Habe dort erstmal meine Füße begutachtet, und noch nie so eine große Blase an meinem Fuß (großer Zeh) gesehen. Richtig schwimmen ging wegen der Blasen am Fuß nicht wirklich, aber rund 20 Minuten duschen und im Nichtschwimmerbecken plantschen war absolut drin.

Richtig fit war ich natürlich nicht mehr am Sonntag Nachmittag, aber Spaß, Freude und Stolz hatte ich noch immer.
Anschließend ein letztes Selfie mit Schwebebahn und was ordentliches Essen (Döner & Kaffee) in der Stadt. Dann galt es schon auf den Zug zu warten. So schön ist Wuppertals Zentrum um den Hauptbahnhof ja gerade nicht.
Tja und warum sollte es langweilig zu Ende gehen: Der Zug (ICE) kam statt 20.45 Uhr erst eine Stunde später. In Bremen gab es die Meldung, dass ein Notarzteinsatz zur Sperrung der Strecke nach Hamburg geführt hatte. Nach 20 Minuten Wartezeit ging es nach Hannover zurück, über Lüneburg nach Hamburg-Harburg. Es war da bereits 3.10 Uhr. Wie schön, dass ich es im Zug immerhin auf insgesamt gut 2 Stunden Schlaf geschafft hatte. Ansonsten war eine gut angeheiterte Urlaubsgruppe zurück aus den Niederlanden im Waggon, die gut spaßig drauf war. Die Fahrt mit DB-Gutschein und Taxi nach Horneburg klappte super. Der Taxifahrer war sehr gesprächig. Auch die Fahrt mit dem Auto zurück nach Hause war dann noch OK. Nur etwas angespannt, da ein am Straßenrand stehendes Polizeiauto am Kreisel Issendorf / Harsefeld umdrehte und mir bis Kutenholz folgte. Und dass um 3.45 Uhr in der Nacht. Eine Kontrolle blieb aus und so kam ich endlich um 4.10 Uhr wieder glücklich, zufrieden, aber auch mit Freude aufs Bett daheim an.
Vielen DANK fürs lesen!!!